Interview

„Alle Wege stehen offen“

Foto Berufsbildungsexperte der IHK Nürnberg für Mittelfranken

Stefan Kastner (IHK-Nürnberg für Mittelfranken) | Foto: privat

Interview mit Stefan Kastner, Leiter des Fachbereichs Berufsbildung der IHK Nürnberg für Mittelfranken.

dipolo: Welche Vorteile bringt es, wenn man sich nach dem Abitur für eine duale Ausbildung oder ein duales Studium entscheidet?

 

Stefan Kastner: Eine Ausbildung ist auf jeden Fall die richtige Entscheidung, wenn man eher praktisch veranlagt ist. Durch die Verzahnung von Theorie (in der Berufsschule) und Praxis (im Ausbildungsbetrieb) wird das Erlernte direkt in der Praxis umgesetzt. Für besonders engagierte Abiturient:innen, die auf ein Studium an der Hochschule oder Universität nicht verzichten möchten, bietet sich das duale Studium an. Im besten Fall direkt kombiniert mit einer dualen Ausbildung – einem Verbundstudium – erreicht man in etwa viereinhalb Jahren beides: Ausbildung und Bachelor. In allen Fällen ist der große Vorteil, dass ab dem ersten Tag ein Gehalt gezahlt wird.

dipolo: Kann man über diese Wege auf der Karriereleiter genauso weit kommen wie mit einem klassischen Studium?

Stefan Kastner: Ein Studium ist heute absolut KEIN MUSS mehr. Auch mit einer klassischen Ausbildung stehen alle Wege offen: Mit berufsbegleitender Weiterbildung ist die Qualifizierung zum Bachelor professional oder auch Master professional möglich – wiederum mit dem Vorteil, dass man in der Zeit das volle Gehalt kassiert – und so erreicht man über die berufliche Bildung dasselbe Qualifikationsniveau wie über Uni oder Hochschule.

dipolo: Fachkräftemangel ist weiterhin überall ein großes Thema. Was bedeutet das? Welche Absolventinnen und Absolventen braucht unsere regionale Wirtschaft?

Stefan Kastner: Wenn ich in unsere IHK-Lehrstellenbörse-Mittelfranken sehe, dann sind da quer über alle Berufsgruppen Ausbildungsplätze zu besetzen. Insofern sind die Perspektiven für Schulabgänger:innnen eigentlich so gut wie nie. Daher sollte man sich bei der Wahl des Ausbildungsberufes in erster Linie an den eigenen Interessen und Fähigkeiten orientieren. Engagierte Jugendliche finden heute bestimmt einen Beruf, der diesen entspricht.

dipolo: Welche Bereiche sind für Abiturientinnen und Abiturienten besonders interessant?

Stefan Kastner: Natürlich würde ich Abiturientinnen und Abiturienten in erster Linie die drei- und dreieinhalbjährigen Ausbildungsberufe empfehlen – für Abiturientinnen und Abiturienten und mit guten Leistungen ist dann eine Verkürzung der Ausbildungszeit möglich. Das wären zum Beispiel die Ausbildungen zu Fachinformatiker:innen, Versicherungskaufleuten, Industriekaufleuten oder -mechanikerinnen und Elektroniker:innen.

dipolo: Haben Sie einen guten Tipp, was man tun kann, wenn man sich anhand der vielen guten Möglichkeiten gerade gar nicht entscheiden kann, wo es hingehen soll?

Stefan Kastner: Da empfehlen sich natürlich vor allem Praktika. Wer noch gar keinen Plan hat, kann mit Eintagespraktika (z. B. im Rahmen der Praktikumswoche) erste Einblicke in verschiedene Berufe bzw. Berufsgruppen sammeln. Kristallisieren sich dann Favoriten heraus, so lassen sich in längeren Praktika weitere Erfahrungen sammeln. Dabei lernt man nicht nur die Tätigkeiten der jeweiligen Berufe kennen, sondern merkt auch schnell, wie die potenziellen Kolleginnen und Kollegen ticken und ob das Unternehmen zu einem passen könnte. Und mit einem guten Praktikum empfiehlt man sich ja schon für eine spätere Ausbildung.

Vielen Dank für das Interview!