Interview

„Jeder Song darf alles sein“

Pop, Hip-Hop, Indie, Elektro – irgendwo dazwischen verortet sich die Band OK Kid. Deren Sänger Jonas Schubert hat mit dipolo über seine musikalische Laufbahn gesprochen. Er berichtet von Umwegen über die Journalistenschule, erzählt von der Arbeit am neuen Album „Sensation“ und erklärt, warum man sich nicht zu sehr von den Erwartungen anderer beeinflussen lassen sollte.

Die Mitglieder der Band OK Kid stehen auf einer Treppe vor einem Haus.

Musikalisch äußerst vielfältig: Moritz Rech, Jonas Schubert und Raffael Kühne erobern als OK Kid die Bühne. | Foto: Stefan Braunbarth

dipolo: Jonas, du und deine Bandkollegen, ihr habt früh angefangen mit der Musik. Wie kam es dazu, dass ihr heute Berufsmusiker seid?

Jonas Schubert:  Es war nie das Ziel, mit OK Kid oder Jona:S – wie wir ursprünglich hießen – kommerziell erfolgreich zu sein. Ich habe nach dem Abitur zuerst ein Studium abgebrochen und dann die Journalistenschule besucht, Raffi und Moritz haben studiert. Mit der Musik haben wir aber immer weitergemacht. Daraus hat sich im Laufe der Zeit eine gewisse Professionalität entwickelt, und immer mehr Leute haben sich für unsere Musik interessiert. Wir sind da dann mehr oder weniger so reingerutscht, haben einfach weitergemacht und auch das gewisse Quäntchen Glück gehabt. Im Musikbereich Fuß zu fassen, ist unglaublich schwer und hängt nicht nur vom eigenen Können ab. Wir sind sehr dankbar, dass wir heute davon leben können.

dipolo: Was kannst du jungen Leuten raten, die sich noch ihrem Berufsziel annähern?

Jonas Schubert:  Vor allem zählt der eigene Antrieb. Man sollte sich nicht davon beeinflussen lassen, was andere von einem erwarten, sonst fühlt man sich schnell wie im falschen Film. Es ist wichtig, herauszufinden, für welche Dinge man aus Leidenschaft viel Zeit investiert. Nicht in Hektik verfallen und sich stattdessen auf das konzentrieren, was einen erfüllt und weiterbringt. Ich bin der Überzeugung, tut man etwas mit Herzblut, dann wird es fruchten.

dipolo: Musikalisch seid ihr in mehreren Genres zu Hause. Wie habt ihr euren Stil gefunden?

Jonas Schubert:  Raffi und ich kennen uns aus dem Hip-Hop-Umfeld. Er hat die Beats mit in den Jugendclub gebracht, ich habe meine Texte darübergelegt. Moritz spielt Klavier und Gitarre. Über die Jahre ist dann aus dem Hip-Hop mit Liveband etwas völlig Eigenständiges entstanden. Genres sind uns immer relativ egal gewesen. Jeder Song ist anders. Jeder Song darf alles sein. Wir machen einfach das, worauf wir Lust haben und könnten uns gar nicht für ein Genre entscheiden, weil wir viel zu viele Arten von Musik toll finden.

dipolo: In eurem Song „Mehr Mehr“ setzt ihr euch mit dem Streben nach immer Größerem auseinander. Wie schafft man es deiner Meinung nach, Chancen nicht ungenutzt vorüberziehen zu lassen, nur weil man hofft, es kommt noch etwas vermeintlich Besseres?

Jonas Schubert:  Das beste Gegenmittel ist: einfach machen. Ich glaube, mehr zu wollen ist durchaus wichtig, es sollte aber nicht dazu führen, dass man gar nichts in Angriff nimmt, weil man nicht weiß, wo man anfangen soll. Ich kenne dieses Gefühl auch. Mir hat geholfen, dass ich neben der Ausbildung an der Journalistenschule die Musik nicht aus den Augen verloren habe. Ich habe das, worauf ich Lust hatte, voll durchgezogen. Man kann viel über sich herausfinden, indem man sich in unterschiedlichen Bereichen ausprobiert. Daraus ergeben sich dann Wege und Möglichkeiten, die einem nicht in den Sinn kommen, wenn man zu Hause sitzt und grübelt, was das Leben mit einem vorhat.

Ich habe das, worauf ich Lust hatte, voll durchgezogen.

Jonas Schubert

dipolo: In euren Songs und Videos richtet ihr kritische Blicke auf die Welt und positioniert euch auch politisch. Was ist euch bei euren Songs wichtig?

Jonas Schubert:  Wir machen Musik nicht um der Musik willen, sondern als Ausdruck unserer Persönlichkeiten. Wir schreiben Songs über Themen, die uns angehen, uns beschäftigen – von Wutbürger bis Jugendliebe. Gerade in der heutigen Zeit kommt es daher häufiger vor, dass es in die politische Richtung geht. Ein Popsong und eine gewisse Vielschichtigkeit schließen sich keineswegs aus.

dipolo: Gerade ist euer neues Album erschienen mit dem fast hochtrabenden Titel „Sensation“. Wie war die Arbeit an der neuen Platte?

Jonas Schubert:  Das Songwriting war anstrengend. Wir hatten eine längere Phase, in der wir einfach nicht weitergekommen sind. Wir haben so viel diskutiert wie noch nie, Ideen entwickelt und wieder verworfen. Irgendwann haben wir uns dazu entschlossen, eine Auszeit einzulegen und sind in eine abgeschiedene Holzhütte nach Brandenburg gefahren. Dort haben wir dann zum ersten Mal zusammen Songs geschrieben. Viele denken, wir als Band entwickeln unsere Liedtexte immer gemeinsam – tatsächlich ist es aber normalerweise so, dass Raffi und Moritz instrumental vorlegen und ich anschließend die Texte zur Musik verfasse. Diesmal war es anders: Die Jungs haben gespielt und ich live dazu getextet. Das Album fühlt sich daher auch am meisten nach Band an.

dipolo: Eure Anfänge als Band waren ja in Gießen, jetzt seid ihr zusammen in Köln. Was schätzt du an deiner Wahlheimat?

Jonas Schubert:  Ich wohne bereits seit elf Jahren in Köln. Im Gegensatz zur Kleinstadt Gießen gibt es hier den passenden Nährboden, auf dem man sich musikalisch wunderbar entfalten kann. Köln ist super, nicht zu groß, die Leute sind sehr warmherzig – kölsche Frohnaturen eben. Es fühlt sich nach Zuhause an.

Portraitfoto von Jonas Schubert
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Foto: Stefan Braunbarth

Jonas Schubert, Sänger von OK Kid

… ist Gründungsmitglied der fünfköpfigen Gießener Band namens Jona:S. Seit 2013 startet Jonas Schubert gemeinsam mit Raffael Kühle und Moritz Rech als OK Kid musikalisch durch. Der Name des Trios setzt sich aus den Alben „OK Computer“ und „Kid A“ von Radiohead zusammen. In ihren tiefgründigen, viel- schichtigen Songs mixen sie Hip-Hop mit Pop-, Elektro- und Indie-Klängen. Kürzlich haben sie ihr drittes Studioalbum veröffentlicht und touren mit „Sensation“ bis März 2019 durch Deutschland.

Info

Jonas Schubert über …

Orientierungslosigkeit: hängt fast ausschließlich mit dir selbst zusammen. Hör auf dich und lass dich von anderen nicht beirren.

Selbstinszenierung: kann zur Orientierungslosigkeit führen.

Scheitern: gehört zum Leben dazu und hilft dabei, sich selbst besser kennenzulernen. Hinfallen und sich wieder aufrappeln – darauf kommt es an. Ist man nie gescheitert, weiß man auch nicht zu schätzen, wenn es läuft.